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Sekretariat Orthopädie / Unfallchirurgie

Sekretariat Orthopädie / Unfallchirurgie  Beate Meinzer

Beate Meinzer

Sekretariat Orthopädie / Unfallchirurgie

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Kindliche Hüftgelenksdysplasie / Hüftgelenksluxation

Bei der Hüftgelenksdysplasie - und im Falle einer ausbleibenden Behandlung einer hochgradigen Dysplasie - der Hüftgelenksluxation, handelt es sich um ein multifaktorielles Erbleiden. Obwohl familiäre Häufungen bekannt sind, ließ sich bisher ein direkter Erbgang nicht nachweisen.

Nach heutigem Kenntnisstand werden endogene und exogene Faktoren für das Auftreten einer Hüftgelenksdysplasie verantwortlich gemacht. Zu den endogenen Faktoren zählt man Störungen im Hormonhaushalt, insbesondere wenn mütterliche Hormone in der Fetalzeit in der Leber des Fötus nicht abgebaut werden können. Bekanntermaßen treten dann - soweit bekannt - bei den Kindern sogenannte Kapselbandschwächen auf. Daraus ist leicht abzuleiten, dass häufig auch beide Hüftgelenke betroffen sind. Weiter sind diese Veränderungen als völkisch-rassische Besonderheiten mit einer regionalen Häufung zu nennen. Als exogene Faktoren sind die intrauterine Raumbeengung, ein Fruchtwassermangel, die Beckenendlage und auch Zwillingsgeburten zu nennen.

Die angeborene Hüftluxation ist in Deutschland mit 2 - 4 % als häufigste angeborene Fehlbildung des Skeletts anzutreffen. Jungen sind gegenüber Mädchen deutlich seltener betroffen in einer Häufung von 1 zu 5 bis 1 zu 8 für die angeborenen Luxationen. Dysplasien sind in annähernd gleichem Zahlenverhältnis anzutreffen. Pathomorphologisch bestehen folgende häufige anlagebedingte Veränderungen:

  1. eine steil gestellt, abgeflachte und nach „oben“ ausgezogene Hüftgelenkspfanne (sogenannte Hundeohrpfanne)
  2. ein steil gestellter Schenkelhalswinkel
  3. eine pathologische Fehldrehung des Schenkelhalses gegenüber dem Oberschenkelknochen
  4. eine Kapselbandschwäche.

Alle vier Faktoren führen dazu, dass der Hüftkopf in der gleichzeitig schlechten Hüftgelenkspfanne nicht gut positioniert ist. Daraus resultiert die Luxation mit Nachobentreten des Hüftkopfes entlang der Beckenschaufel und gleichzeitige Ausbildung einer „Sekundärpfanne“ an der Darmbeinschaufel-Außenseite. Als Folge der Fehlstellungen können gleichzeitig Deformierungen des Kopfes mit „Umbaustörungen“ auftreten (sogenannter Luxationsperthes). Aus den angeführten Gründen ist das Gelenk instabil. Die Muskeln können den Oberschenkel innerhalb der Pfanne nicht ausreichen stabilisieren. Es resultiert ein Hinken. Nach Tönnies werden auf Grund der Röntgenuntersuchung die Dysplasie bzw. auch die Luxation in vier Grade eingeteilt. Grundlage für die Einstufung ist die Lagebeziehung zwischen Hüftkopf und der Pfanne bzw. der Beckenschaufel in einem aus zwei Linien gebildeten Koordinatenkreuz. Die Störung wurde früher erst mit Beginn des Lauflernalters im ganzen Ausmaß erkennbar. Entsprechend schwierig und langwierig waren die Behandlungen. Erst die sonographische Untersuchung nach Graf konnte schon unmittelbar nach der Geburt Fehlanlagen in der Beziehung zwischen Hüftkopf und Pfanne nachweisen lassen. Aus diesem Grund wird heute zeitnah nach der Geburt die entsprechende Untersuchung durchgeführt. Damit sind heute schon sehr früh einsetzende Behandlungsmöglichkeiten gegeben, so dass Luxationen heute zahlenmäßig nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Untersuchung des - neugeborenen - Kindes umfasst neben der klinischen Befunderhebung und der Sonographie - unter mittlerweile standardisierten Bedingungen - die Erhebung

  1. der Familienanamnese und
  2. der Schwangerschaftsanamnese

in der Auskünfte über die intrauterine Lage des Kindes, über Zwillingsgeburten, über die Dauer der Schwangerschaft und über schwangerschaftsbedingte Komplikationen zu erhalten sind.

Die erste orthopädische Untersuchung vor der sonographischen Untersuchung berücksichtigt die Stellung der Beine. Hier ist insbesondere zu prüfen, ob die hüftführende Muskulatur „verspannt“ ist. Bei entsprechenden Fehlstellungen oder Fehlanlagen der Hüfte sind einzelne Muskelpartien verkürzt oder verspannt, so dass eine Abspreizbewegung bzw. auch eine volle Streckung der Hüftgelenke nicht möglich ist. Die “Verziehung“ der Analfalte sowie die Doppelung der Adduktorenfalte sind Hinweise, aber nur unsichere Zeichen auf eine mögliche Hüftdysplasie bzw. Hüftgelenksluxation. Das Ortolanizeichen ist ein direkter Hinweis auf eine Instabilität. Das Ortolanizeichen wird als positiv bezeichnet, wenn in Anspreizung der Beine mit Druckausübung gegen den Hüftkopf und anschließender Abspreizung ein „Klickphänomen“ über den am Trochanter aufgelegten Fingern zu verspüren ist. Dies sollte jedoch nicht mehr geprüft werden, da vermutet wird, dass es durch den Verrenkvorgang, den das Zeichen auslöst, zu Hüftkopfschäden kommen kann. Ähnlich verhält es sich mit dem Barlow-Zeichen, wobei insgesamt die alleinige klinische Untersuchung keine sichere Beurteilung des Reifungszustandes der Hüfte erlaubt. Bei „älteren Kindern“ finden sich Zeichen der Instabilität durch ein positives Trendelenburgzeichen, durch ein - unter Umständen beidseitiges - Hinken sowie häufig auch durch eine verstärkte Lordose und Seitverbiegung der Lendenwirbelsäule durch Verkürzung der auf der Beugeseite liegenden Hüftmuskulatur. Bei der ersten Untersuchung vor der Sonographie werden die Hüftgelenke in Rückenlage des Kindes bei gleichzeitiger Knie- und Hüftbeugung abgespreizt. Im Regelfall lassen sich symmetrische Abspreizwinkel von 70° - 80°, selten sogar bis 90° nachweisen.

Die Sonographie dokumentiert dann Reifungsstörungen, welche sich unter anderem darin zeigen, dass die Erkerregion der Hüftpfanne schlecht ausgebildet ist und dass die „Lagebeziehung“ zwischen Hüftgelenkspfanne und - nur indirekt zu erkennendem Hüftkopf - gestört ist. Veränderungen, welche sich nach 10 bis 12 Wochen noch nachweisen lassen, sind auch dann der Röntgenbildgebung zugänglich.

Die Sonographie erfaßt anhand standardisierter Messungen eine Lagebeziehung zwischen Hüftkopf und der Pfanne durch Winkelangaben. Nach Graf sind verschiedene Stadien zu beschreiben, die unter anderem auch den Luxationsgrad angeben. Später bringen die Röntgenaufnahmen eine bessere Dokumentation der möglichen Fehlstellung. Das Röntgenbild erlaubt nicht nur die Gradeinteilung der Dysplasie bzw. der Luxation, sondern auch anhand der Ausmessung verschiedener Winkel eine weitere Beschreibung morphologischer Veränderungen. Bei Nachweis einer dysplastischen Hüftanlage im sonographischen Untersuchungsbild muss dafür Sorge getragen werden, dass die Hüftköpfe in der Pfanne zentriert werden. Dadurch ist ein Wachstumsreiz für den Erkerbereich gegeben. Durch „Herunterwachsen“ des Erkers wird dann der Hüftkopf ausreichend überdacht und entsprechend stabil geführt. Diese Maßnahmen können bei Neugeborenen durch korrekt durchgeführtes „breites Wickeln“ und - bei stärkerer Ausprägung der Dysplasie durch das Tragen einer Spreizhose erreicht werden. Bei Luxationen sind Schienenlagerungsmöglichkeiten im Repoboard, in der „Düsseldorfer Schiene“ oder in einem Rundgips möglich. Dabei wird der sogenannte Hocksitz nach Fettweiß bevorzugt. In dieser Stellung werden die Hüftköpfe in der Pfanne zentriert. Beim früher häufig angewandten Gips in der Technik nach Lorenz wurden die Hüftgelenke ebenfalls zentral in der Pfanne eingestellt. Die Ergebnisse waren aber schlechter als die in der Position nach Lange bzw. auch Fettweiß. Sollte es dennoch bei fehlender Kontrolle nach der Geburt zu einer regelrechten Luxation des Hüftgelenkes kommen, sind zunächst konservative Maßnahmen angezeigt (Längsextension, Abspreizung, Overextension), um den Hüftkopf gut zu positionieren. Repositionshindernisse können in sofern auftreten, als die in Folge der Luxation des Gelenkes sanduhrförmig verlängerte Hüftkapsel eine Einstellung des Hüftkopfes in die Pfanne nicht ermöglicht. Dann sind auch operative Maßnahmen notwendig. Operative Verfahren zur Stabilisierung des Hüftkopfes in der Pfanne werden im frühen Kindesalter durch Eingriffe an der Hüftpfanne (sogenannte Acetabuloplastik) durchgeführt. Damit werden die knöchernen Voraussetzungen geschaffen, dass der Hüftkopf besser in der Pfanne zentriert ist. Übliche Verfahren waren die Pemberton-Osteotomie sowie die Salter-Osteotomie. Die Chiari-Operation als dreidimensionale Operation wurde mehr aus biomechanischen Gründen notwendig. Diese Operationen konnten mit einer gleichzeitigen Korrektur des zu steilen Schenkelhalswinkels und der pathologischen Drehung des Schenkelhalses kombiniert werden.

Die „unentdeckt gebliebenen“ dysplastischen Hüftanlagen werden im Regelfall erst im Erwachsenenalter auffällig. Charakteristische Veränderungen, wie sie auf Grund der Fehlpositionierung des Schenkelhalses gegenüber der Pfanne zu erwarten sind, zeigen sich dann in einer verstärkten Außendrehung des Schenkelhalses gegenüber dem Oberschenkelknochen, in einer sehr steil gestellten Hüftpfanne, in fehlender Kopfüberdachung bzw. schlecht ausgebildeter Hüftpfanne und ggf. auch durch Höhertreten des Kopfes an der Beckenaußenseite. Dann sind je nach Befund größere operative Eingriffe erforderlich, um zum einen die Standfestigkeit bzw. das Laufen zu verbessern und ggf. prothetische Eingriffe weit hinaus zu schieben.

Fortbestehende Fehlstellungen vor allen Dingen mit erkernaher Überlastung des Hüftkopfes, der vergrößerten und längs ausgezogenen Hüftpfanne (auch Hundeohrpfanne), das Hochtreten des Hüftkopfes und Ausbildung einer Sekundärpfanne an der Beckenaußenseite sind im Erwachsenenalter nur noch durch große operative Eingriffe zu korrigieren. Im Regelfall sind diese aber dann mit dem Einbau einer Hüftendoprothese verbunden.

Unsere Experten

Kinderorthopädie

Klinikdirektor Priv.-Doz. Dr. med. Dariusch  Arbab
Klinikdirektor

Priv.-Doz. Dr. med.
Dariusch Arbab